Ausstellungen
Feuer, Wasser, Erde, Luft

Hat fotografische Kunst noch eine Chance? Das scheint eine abwegige Frage, in einer Zeit, da sich mit junge Mitmenschen per Handy und Internet digitalisierte Schnappschüsse aus jeder nur denkbaren Lebenslage zukommen lassen, da uns die Werbung mit Ikonen arrangierter Makellosigkeit umstellt, da eine Nachricht wirklicher erscheint, wenn sie uns als Bild erreicht. Und ein Bild sagt uns doch mehr als tausend Worte.....

Nie zuvor ist so viel fotografiert worden. Aber das Fotografierte wird in dieser Bilderflut zumeist in den Dienst einer Mitteilung gestellt, die ihm absichtsvoll vorausgeht. Das Bild illustriert die gewünschte Botschaft sinnfällig, erst daraus gewinnt es dabei seinen Wert. Es ist um so besser, je genauer, je dichter es der außerfotografischen Absicht entspricht: Das gilt für den erotischen Reiz  junger Mädchen auf den Reklametafeln für irgendeine Zigarette, Eisspezialität oder Leibwäsche ebenso wie das Porträts der zum Klischee des Mißmuts mutierten Politikerin auf dem Titel eines Nachrichtenmagazins. Erst recht kennzeichnet die vorangestellte, nichtfotografische Intention jene inflationären narzistischen Handyknipsereien, die dem Adressaten selten mehr als das bloße Immer-Noch-Da-Sein der oder des Abgebildeten beweisen sollen. Anne Benz geht mit dem Medium anders um. Das Foto entsteht um des Fotos Willen. Im Ergebnis weist das Bild nicht wegen einer erkennbar vorgefassten Absicht über sich selbst hinaus, sondern wegen des Abgebildeten selbst. Anne Benz´ Fotos zeigen die Dinge zwar fast immer so, wie sie \\\"wirklich\\\" sind. Willkürlich geordnete Arrangements sind zumindest bei den Natur- und Genreaufnahmen der Fotografin die absolute Ausnahme  und eine Nachbearbeitung lehnt sie als Fälschung ab. Aber die Art, wie sie Ausschnitte, Perspektiven und Augenblicke wählt, verursacht merkwürdige und überraschende Wandlungen: Wir sehen, was wir doch kennen, plötzlich auf neue Weise. Eben das aber schon in dem Moment zu erkennen, da die fotografische Herauslösung ja erst noch bevorsteht, ist eine Gabe, die Anne Benz als Fotografin besonders auszeichnet.

\\\"Elemente\\\", Bilder von Feuer und Wasser, Himmel und Erde, die in den letzten Jahren entstanden sind, können das ein weiteres Mal belegen. Mit besonderer Deutlichkeit tritt es vielleicht bei den Wasser- und Erdbildern zu Tage. Obwohl auf diesen Bildern alles naturbelassen ist - so also, wie wir es längst kennen - haben wir mehrfach Mühe mit der Identifikation des Sichtbaren. Das Fotografische schlägt dann manchmal sogar ins Grafische um, es entsteht eine Art umgekehrter Fotorealismus, indem das Foto Malerei zu sein scheint.

Wo wir Gefahr laufen, wegen der nur noch illustrierenden Indienstnahme der Fotografie für diese selbst blind zu werden, öffnen uns Anne Benz´ Bilder die Augen für die Möglichkeiten des Mediums neu. Indem sie uns eigentlich Bekanntes und Vertrautes auf manchmal sehr verblüffende Weise neu zeigen, wirken ihre Fotografien gegen die mit der immer weiter anschwellenden Bilderflut einher gehende sinnliche Abstumpfung. Dieser Effekt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wer ihn beim Anblick von Anne Benz Bildern staunend an sich selbst erfährt, erlebt im gleichen Augenblick den Unterschied zwischen Fotografieren als bloßem Abbilden und Fotografieren als Kunststück.

Dr. Holm Felber

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